Ende Juni veröffentlichte die Therapiestation Carina den Evaluationsbericht 2012. „Bereits seit dem Jahr 2006 evaluiert die Carina jährlich ihre Arbeit. Damit lassen sich bei Bedarf aussagekräftige Vergleiche zwischen den einzelnen Jahrgängen durchführen und grundsätzliche Entwicklungen und Trends ablesen“, informiert Mag. Johannes Rauch, Leiter der Therapiestation Carina: „Die Individualisierung der Therapie kann als wichtigster Trend beschrieben werden: Über die Jahre erfolgte eine Abkehr von der Einheitstherapie im Rahmen eines starren Therapiekonzepts hin zu einer individuellen Schwerpunktsetzung im Zuge einer etablierten Behandlungsstruktur.“ Das Behandlungskonzept der Therapiestation sieht die bewusste Abkehr von der reinen Form der Langzeittherapie hin zu Krisenbehandlungen sowie kumulierten Behandlungen als Alternativen vor. Ebenso erfolgte eine Abkehr vom strikten Abstinenzparadigma in Richtung einer Abstinenzorientierung, die besonders auf das Erlernen von Kompetenzen zur Abstinenzerreichung bzw. Abstinenzsicherung abzielen – ohne dabei eine strikte, dogmatische Zielvorgabe zu geben. Die Therapiestation Carina, eine Institution des Krankenhauses Maria Ebene, ist eine psychotherapeutische Station mit sozialpädagogischer Ausrichtung. Vorrangig werden Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Trauma-Folgeerkrankungen behandelt, die legale und illegale Suchtmittel einsetzten und davon abhängig wurden.
Hohe Auslastung und Zufriedenheitswerte
„2012 war für das Team der Station ein sehr arbeitsintensives aber auch überaus erfolgreiches Jahr – das spiegelt sich auch im Evaluationsbericht wieder. Die Auslastung von über 100 Prozent, die Zufriedenheitswerte der Patienten und die zahlreichen Belege für eine gute bis sehr gute Behandlungsqualität sprechen für sich“, erklärt Dr. Oliver Bachmann, Klinischer Psychologe, Psychotherapeut und Leiter der Evaluierung. 2012 erreichte die Therapiestation eine Auslastung von durchschnittlich 108 Prozent. 40 Prozent der Patienten waren Frauen, zu 60 Prozent waren Männer in Behandlung. Von 61 beendeten Therapien, wurden 44 nach einer durchschnittlichen Therapiezeit von 4,5 Monaten abgeschlossen. „Das entspricht einer überdurchschnittlichen Haltequote von 72 Prozent und spricht für die hohe Behandlungsqualität. Im europäischen Vergleich sind Haltequoten um 50 Prozent üblich“, so Oliver Bachmann. Die Haltequote ist dabei die Kennzahl, die für den Anteil an erfolgreich abgeschlossenen Therapien im Vergleich zu Therapieabbrüchen und Entlassungen steht.
Signifikante Einstellungsänderung im Therapieverlauf
Zur quantitativen Erfassung der gefühlsbezogenen Einstellung zu Leitdrogen und zur Abstinenz setzten die Evaluierungs-Verantwortlichen erstmals die Methode des semantischen Differenzials ein. Dabei nahmen die Patienten auf drei Dimensionen – Valenz, Potenz und Aktivierung – mittels 10 zugeordneten Begriffspaaren Beurteilungen vor – jeweils zu Beginn und Ende ihrer Therapie. „Die Veränderung bzw. die Manifestation der Bedeutungszuschreibungen im Therapieverlauf waren von zentralem Interesse. Die Ergebnisse auf den drei relevanten Dimensionen zeigen statistisch teilweise sehr signifikante Veränderungen und grundlegende Einstellungsänderungen der Patienten im Therapieverlauf“, gibt Bachmann in die Untersuchung Einblick. Auf der Potenzdimension, die sich durch Heroin oder Alkohol verkörperte Macht, Dominanz und Stärke bezieht, ist im Therapieverlauf eine Abnahme der positiven Potenz um durchschnittlich 45 Prozent und eine Zunahme der negativen Potenz von 48 Prozent feststellbar. „Hier zeigt sich eine statistisch durchaus bedeutsame Verschiebung wahrgenommener Gefühlsqualitäten. Auch auf der Valenzdimension, die genau diese gefühlsbezogene Qualität eines Begriffes misst, stellten wir eine Abnahme der positiven Valenz von Leitdrogen um 20 Prozent und eine Zunahme der negativen Valenz um 19 Prozent fest. Auch hier sprechen wir von einer statistisch sehr signifikanten Verschiebung positiver Valenzen von der jeweiligen Leitdroge in Richtung Abstinenz“, so Bachmann.
Behandlungsqualität und Therapieerfolg
Ebenfalls Gegenstand der Prä-Post-Befragung: Variablen wie Leidens- und Suchtdruck, Suchtproblematik sowie Abstinenz- und Therapiemotivation im Therapieverlauf. „Auch hier zeigen sich sehr bedeutsame positive Veränderungen. Der wahrgenommene Leidensdruck sowie die erlebte Schwere der Suchtproblematik nahmen im Therapieverlauf durchschnittlich um 50 Prozent ab, ebenso der Suchtdruck. Die bereits zu Beginn der Therapie hohe Abstinenzmotivation nahm bis zum Abschluss der Therapie nochmals zu und erreicht auf einer 10-stufigen Skala einen Wert von 8,3. Das entspricht einer sehr starken Motivation zur Abstinenz und einer bedeutsamen Veränderung der Eigenmotivation. Aus Sicht der Evaluation sind dies wertvolle Hinweise für die in der Behandlung verankerte, personenunabhängige strukturelle Qualität der Therapie“, zeigt sich Stellenleiter Rauch erfreut. Mittels eines von der Therapiestation Carina entwickelten Fragebogens erhoben die Verantwortlichen die Einschätzung der Patienten hinsichtlich des persönlichen Therapieerfolges. Insgesamt beurteilten knapp ¾ der Patienten ihren Therapieerfolg mit „gut“ bis „sehr gut“. Die Zustimmungswerte in den Bereichen „Behandlungsqualität und Behandlungserfolg“, „Strukturqualität und Infrastruktur“, „Behandlungsbausteine und Behandlungsintensität“, „Beziehungsqualität – Gruppenklima“ sowie „Beziehungsqualität – therapeutisches Team“ bewegen sich dabei zwischen 52 und 92 Prozent. „Die Therapieerfolgsquote ist unter Berücksichtigung eines durchwegs schwierigen therapeutischen Settings, den anteiligen Abbrüchen und notwendigen Entlassungen als beachtlich einzustufen“, führt Bachmann abschließend an: „Dies bestätigt auch die ein Jahr nach Therapieabschluss durchgeführte Nachbefragung, die Katamnese, schlüssig.“
Factbox Therapiestation Carina:
- 15 Therapieplätze zur stationären Entwöhnungsbehandlung
- 22 Mitarbeiter/innen
- Strukturmodell: Langzeit- (bis zu 12 Monate), Kurzzeit- (2-6 Monate) sowie Krisenaufnahmen (bis zu 1 Monat)
- zentrale therapeutische Schwerpunkte: Suchtproblematik und Abhängigkeitsverhalten, Grund- und Aktualkonflikte, Persönlichkeit- und Beziehungsverhalten, Arbeits- und Strukturverhalten, eigenverantwortliche Lebensplanung/Lebensgestaltung, körperliche Gesundheit